Neben der inneren Ruhe ist Resilienz die zweite Waffe im Kampf gegen den täglichen Stress und die Hektik des Alltags.
Innere Ruhe sorgt dafür, dass wir nicht so schnell in den Stress gelangen und uns die Hektik nicht mitreißt. Wenn wir in uns ruhen, bleiben wir auch dann gelassen und in unserer inneren Mitte, wenn es um uns herum turbulent wird.
Resilienz beschreibt die Fähigkeit, wieder in die eigene innere Mitte zurückzufinden, wenn wir nach stressreichen Phasen unser inneres Gleichgewicht trotzdem verloren haben sollten.
Beides zusammen – innere Ruhe und (ganzheitliche) Resilienz bilden deshalb die Basis für entspanntes und erfülltes Leben im Flow.
In diesem Artikel möchte ich das Konzept hinter dem Begriff Resilienz einmal näher beleuchten. Du erfährst, woher der Begriff stammt, was Resilienz bedeutet, wie der Begriff in der Psychologie gebraucht wird und was ich mit ganzheitlicher Resilienz meine.
Und natürlich gibt es auch wieder praktische Tipps und Übungen, mit denen du deine Resilienz stärken und so schneller wieder in die innere Ruhe zurückfinden kannst.
Die Herkunft des Begriffs Resilienz
Das Wort Resilienz stammt ab vom lateinischen resilire, was so viel wie „zurückspringen“ oder „abprallen“ bedeutet.
Ganz ähnlich wie der Begriff „Stress“ wurde „Resilienz“ ebenfalls ursprünglich in den Ingenieurswissenschaften benutzt. Lass uns deshalb zunächst einmal schauen, was dort mit Resilienz gemeint ist.
Resilienz in den Ingenieurswissenschaften
In der Technik und den Ingenieurswissenschaften nutzt man den Begriff, um die Fähigkeit eines technischen Gerätes oder eines Werkstücks zu beschreiben, nach Belastungen oder bei widrigen Umständen weiterhin zu funktionieren.
Resilienz-Engineering spielt aber nicht nur eine Rolle beim Bau von technischen Geräten, sondern wird darüber hinaus in vielen anderen Bereichen angewandt, um die Funktionstüchtigkeit von technischen Systemen unter Belastungen zu garantieren – von der Suche nach effizienteren Methoden zum Bau von Gebäuden bis hin zur Entwicklung besserer Infrastrukturen, die bei Naturkatastrophen weniger anfällig für Schäden sind.
Resilienz in der Ökologie
Auch in der Ökologie wird der Begriff Resilienz genutzt und beschreibt dort die Fähigkeit von Ökosystemen, sich von belastenden Eingriffen oder Auswirkungen von außen zu erholen und als System weiter zu funktionieren.
Geraden in Zeiten des Klimawandels spielt daher die Resilienzfähigkeit von Ökosystemen eine wichtige Rolle und ist Gegenstand aktueller Forschungen.
Resilienz in der Psychologie
Resilienz wird in vielen Fach- und Forschungsrichtungen verwendet – neben Ingenieurswissenschaften, Technik und Biologie zum Beispiel auch in den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie und auch in der Energiewirtschaft.
Aber natürlich ist für uns hier bei Flowfeather vor allem die Bedeutung des Begriffs Resilienz in der Psychologie wichtig. Deshalb schauen wir uns jetzt einmal an, welche Rolle Resilienz in der Psychologie spielt, welche Faktoren die eigene Resilienz bestimmen und wie du deine Resilienzfähigkeit verbessern kannst.
Eine frühe Forschungsstudie
Als „Geburtsjahr“ des Begriffs Resilienz in der Psychologie wird oft das Jahr 1971 genannt. In diesem Jahr publizierten die beiden Psychologinnen Emmy Werner und Ruth Smith ihre sog. Kauai-Studie, die ihren Namen von der hawaiianischen Insel Kauai hat, auf der die Studie durchgeführt wurde.
Zwar gab es auch davor bereits wissenschaftliche Studien, die die mentale Widerstandskraft von Menschen unter Stress untersucht haben, aber die Kauai-Studie gilt wegen ihrer Komplexität und ihres Umfangs als wichtigste Grundlagenstudie über Resilienz in der Psychologie.
Werner und Smith begleiteten in ihrer Studie fast 700 Kinder von der Insel Kauai über einen Zeitraum von 40 Jahren. Ungefähr ein Drittel der Kinder wuchs in schwierigen Verhältnissen auf (Alkohol- und Drogensucht der Eltern, Arbeitslosigkeit, Armut).
Die meisten dieser Kinder verfielen im Erwachsenenalter in die gleichen Muster wie ihre Eltern und hatten ebenfalls Probleme mit Alkohol oder Drogen, waren ebenfalls arbeitslos oder lebten in Armut.
Allerdings: Wiederum ein Drittel dieser Kinder schafften es trotz der schwierigen Startbedingungen, später als Erwachsene ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.
Werner und Smith untersuchten nun in ihrer Studie, welche Faktoren dafür entscheidend waren, dass diese Kinder trotz ihrer schlechter Startbedingungen später im Leben erfolgreich und glücklich waren.
Damit legten Werner und Smith den Grundstein für das, was heute in der Psychologie unter Resilienz verstanden wird.
Die Ergebnisse der Kauai-Studie
Die Haupterkenntnis, die die beiden Psychologinnen aus ihrer Studie gewannen war, dass die erfolgreichen Kinder in ihrer Kindheit mindestens eine Bezugsperson hatten, die ihnen das Gefühl gab, wertvoll zu sein und die den Kindern gegenüber ein fürsorgliches Verhalten zeigte.
Das konnte ein Nachbar sein, ein Lehrer oder eine Lehrerin oder auch ein gleichaltriger Freund.
Neben dieser Bezugsperson gab es noch weitere Faktoren, wie die Schulbildung der Mutter oder besondere Eigenschaften, die die Kinder selbst mitbrachten und die zusammen mit Erkenntnissen aus neueren Studien den heute gebräuchlichen Resilienzbegriff prägen.
Resilienz-Faktoren
Resilienz wird heute in der Psychologie definiert als die Fähigkeit, sich anzupassen und mit Stress, Widrigkeiten und Veränderungen umzugehen.
„Bending, without breaking“, ist daher eine häufige Umschreibung für den Begriff Resilienz: Sich dem Stress anpassen (biegen), ohne daran zu zerbrechen. Und wenn die Stresssituation vorbei ist, ganz von alleine wieder in seine innere Mitte zurückkehren.
Genau wie der Bambus im Titelbild zu diesem Beitrag, der dem Wind nachgibt und sich biegt, ohne zu zerbrechen. Und nach dem Sturm ganz natürlich wieder in seine ursprüngliche Form zurückkehrt.
Dabei ist Resilienz ein komplexes, mehrdimensionales Konzept, das psychologische, soziale und umweltbedingte Faktoren umfasst.
Resiliente Menschen sind in der Lage, ihre Emotionen zu erkennen und zu bewältigen, klar und flexibel zu denken und Probleme durch eigenes Handeln zu lösen. Außerdem verfügen sie über ein starkes Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit und Optimismus.
Alle diese Punkte sind Faktoren, die die Resilienz mit bestimmen und die darüber entscheiden, wie gut ein Mensch mit Stress und Belastungen umgehen kann.
Eines der wichtigsten Modelle zu den Faktoren, die unsere Resilienz beeinflussen, ist das Sieben-Säulen-Modell – die „7 Säulen der Resilienz“. Das Modell bietet daher einen guten Ansatz, um die eigene Resilienz zu verbessern.
Die 7 Säulen der Resilienz
Die 7 Säulen der Resilienz ist eines von vielen Modellen, die beschreiben, welche Faktoren unsere Resilienz bestimmen und wie wir unsere Resilienz verbessern können.
Wie alle Modelle stellt auch das Sieben-Säulen-Modell eine Vereinfachung dar. Das heißt, es gibt noch viele weitere Faktoren, die deine Resilienz bestimmen. Und letztlich hat jeder Mensch auch noch seine eigenen Vorlieben und ganz eigenen Resilienzfaktoren.
Nun aber zum Modell der 7 Säulen.
Das Modell wurde von der Psychologin Ursula Nuber entwickelt und unterscheidet – wie der Name schon vermuten lässt – 7 Faktoren, die unsere Resilienz beeinflussen.
Konkret:
- Optimismus
- Akzeptanz
- Lösungsorientierung
- Opferrolle verlassen
- Selbstverantwortung übernehmen
- Netzwerkorientierung
- Zukunftsplanung
Lass uns im Folgenden die einzelnen Punkt einmal etwas näher beleuchten.

Optimismus
Mit dem Optimismus ist das so eine Sache. Nicht umsonst ist Optimismus als Grundeinstellung in den letzten Jahren ein wenig in Verruf geraten – wurde Optimismus doch viel zu oft als Rosarote-Brille-Syndrom verstanden.
Das ist aber mit Optimismus nicht gemeint.
Vielmehr geht es um eine Art gesunden, geerdeten Optimismus, der die negativen Seiten im Leben nicht leugnet und wegdrückt, sondern sie erst einmal als gegeben akzeptiert – um dann nach Wegen zu suchen, wie man die Situation verbessern kann.
Im Artikel über die innere Ruhe hatte ich das aus dem Taoismus stammende Yin-Yang-Symbol und die Philosophie dahinter gesprochen. In dem Symbol ist in jeder der beiden Grundenergien das Gegenteil bereits angelegt.
Also Schlechtes im Guten und das Gute im Schlechten, wenn man so will.
Bezogen auf den Optimus: Egal, wie schlecht eine Situation gerade auch für uns aussehen mag, irgendwie und irgendwo ist etwas Gutes in dieser Situation bereits angelegt.
Und wenn es auch nur in Form der Möglichkeit ist, dass die Situation sich verbessern kann.
„Wenn´s bergab geht, ist das zum Schwungholen“, hat ein guter Freund einmal passend dazu gesagt.
Ein gesunder, geerdeter Optimismus nimmt das Gute in den Blick, auch wenn die Situation erst einmal schwierig ist.
Serge Kahili King, einer der Hauptvertreter der auf das alte, hawaiianische Wissen über das Leben zurückgehenden Huna-Philosophie, hat das ebenfalls einmal sehr schön ausgedrückt.
Auf die Frage, ob er das Glas als halbvoll oder halbleer ansehen würde, hat er gesagt: „Weder noch. Das Glas ist wieder auffüllbar!“
Genau das ist gesunder Optimismus – nach Wegen zu suchen, wie man das Glas wieder auffüllen kann.
Eine kleine Übung dazu:
Wenn du das nächste Mal in einer schwierigen Situation steckst, die Stress bei dir verursacht, gehe einmal kurz in dich, akzeptiere die Situation so, wie sie gerade ist und dann frage dich:
Wie kann ich in dieser Situation das Glas wieder auffüllen? Selbst, wenn es nur ein kleiner Schluck Wasser ist, der in das Glas kommt. Wie kannst du die Situation ein klein wenig verbessern, selbst, wenn du das Problem nicht ganz lösen kannst?
Kleiner Tipp am Rande: Der Aufenthalt in der Natur macht so gut wie jedes Problem etwas erträglicher und ist damit immer ein guter erster Ansatz, um wieder optimistischer in die Zukunft zu blicken!
Akzeptanz
In der eben schon angesprochenen Huna-Philosophie gibt es einen Grundsatz, der lautet: „Now is the moment of power“ – auf Deutsch „Jetzt ist der Moment der Macht“.
Gemeint ist damit, dass wir nur dann etwas verändern können, wenn wir im gegenwärtigen Moment sind. Es gibt nur das Jetzt und nur, wenn wir im Jetzt sind, können wir die Dinge verändern.
Und genau deshalb ist es notwendig, eine schwierige Situation erst einmal so zu akzeptieren, wie sie ist. Eben keine rosarote Brille aufzusetzen und so zu tun, als ob alles fluffy ist.
Erst danach können wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Situation verbessern können.
Denn: Solange wir innerlich auf Distanz zu der Situation oder zu dem Problem gehen, das uns gerade beschäftigt, sind wir nicht mehr im Jetzt, sondern in unseren Gedanken.
Dann können wir aber nichts verändern.
Akzeptanz bedeutet also nicht, zu akzeptieren, dass eine schwierige Situation schwierig bleiben muss. Es bedeutet nur, zu akzeptieren, dass sie jetzt so ist, wie sie ist.
Mein Vater hat dazu einen schönen Satz, den er immer sagt, wenn es einmal nicht so läuft, wie er möchte. Er sagt dann: „Es ist, wie es ist“.
Dieser Spruch ist für mich zu einem guten Begleiter geworden.
Immer wenn es schwierig ist, sage ich mir „Es ist, wie es ist“ – und dann suche ich nach Wegen, wie ich die Situation verbessern kann.
Lösungsorientierung
Und damit sind wir auch schon beim nächsten Resilienzfaktor aus dem Sieben-Säulen-Modell, nämlich der Lösungsorientierung.
Die ergibt sich nämlich fast schon von alleine aus dem gesunden Optimismus und er Akzeptanz, wie ich sie gerade beschrieben habe.
Resiliente Menschen sind lösungsorientiert.
Statt mit ihren Gedanken um das Problem zu kreisen, kreisen sie mit ihren Gedanken eher um die Lösung.
„Möchtest du ein Teil des Problems sein oder ein Teil der Lösung?“, könnte man fragen.
Und resiliente Menschen werden immer antworten, dass sie ein Teil der Lösung sein wollen.
Opferrolle verlassen
Solange wir uns als Opfer der Situation sehen, können wir die Situation nicht verändern. Schließlich sind dann nicht wir „schuld“ an der Misere, sondern die anderen. Die Wirtschaftslage, die Politik, die Rahmenbedingungen.
Die machen es uns zwar tatsächlich oft schwer, aber trotzdem: Selbst dann können wir eine schwierige Situation verbessern. Und sei es nur dadurch, dass wir daran arbeiten, anders mit der Situation umzugehen und anders darauf zu reagieren.
„Nicht was wir erleben, sondern wie wir empfinden, was wir erleben, macht unser Schicksal aus.“, schreibt die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach.
Erst wenn wir aus der Opferrolle herauskommen, haben wir wieder die Möglichkeit, Einfluss auf schwierige Situationen zu nehmen. Das wiederum erhöht das, was die Psychologie als Selbstwirksamkeitserwartung bezeichnet: Wir haben wieder das Gefühl, etwas an der Situation verändern zu können.
Und das wiederum relativiert den mit einer schwierigen Situation verbundenen Stress und trägt deshalb zu unserer Resilienz bei.
Selbstverantwortung übernehmen
Sind wir aus der Opferrolle herausgetreten, ist der nächste Schritt, Verantwortung für uns, unser Denken und unser Handeln zu übernehmen.
Verantwortung ist ein ziemlich missverstandener Begriff und wird häufig gleichgesetzt mit: „Wenn es daneben geht, bist du schuld!“
Das ist aber mit Verantwortung nicht gemeint.
Ver“antwortung“ bedeutet, sich das Recht herauszunehmen, eigene „Antworten“ auf eine Situation zu finden und zu liefern. Und damit hat Verantwortung übernehmen sehr viel mit Selbstermächtigung zu tun.
Sich selbst wieder die Macht zuzugestehen, über das eigene Leben zu bestimmen.
Klar, dass das unsere Resilienz erhöht!
Netzwerkorientierung
Jetzt haben wir sehr viel darüber geredet, was man selbst alles tun kann und sollte, um die eigene Resilienz zu verbessern.
Wir leben allerdings nicht alleine auf dieser Welt und deshalb ist es wichtig, auch das soziale Netzwerk im eigenen Leben nicht aus den Augen zu verlieren.
„Geteiltes Leid ist halbes Leid“, weiß schon der Volksmund und hat Recht damit!
Und das bestätigt mittlerweile auch die Wissenschaft.
In einer groß angelegten Meta-Studie aus dem Jahr 2018 kamen die Wissenschaftler sogar zu dem Schluss, dass soziale Kontakte nicht nur das Leben verlängern, sondern das fehlende soziale Kontakte ähnlich schädlich sind, wie das Rauchen von 15 Zigaretten am Tag!
Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt die Harvard Study of Adult Development, eine der am längsten laufenden Studien überhaupt.
Nach diese Langzeitstudie sind es vor allem zwei Faktoren, die – neben einer genetischen Veranlagung – zum persönlichen Glück beitragen: Soziale Beziehungen und ein entspanntes Leben.
Da verwundert es nicht weiter, dass ein gutes soziales Netzwerk auch die eigene Resilienz erhöht.
Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man sich mit seinem Freundeskreis über seine Probleme austauscht und darüber spricht, wenn es einem gerade mal nicht gut geht.
Dann kann man sich „den Frust von der Seele reden“, neue Inspiration für den Umgang mit einer schwierigen Situation gewinnen oder sich ganz einfach mal an einer Schulter ausweinen.
Zukunftsplanung
So gestärkt kann man sich dann an den nächsten Punkt machen, der gleichzeitig ein weiterer Resilienzfaktor ist: Eine positive Zukunftsplanung.
Resiliente Menschen leben nicht einfach nur in den Tag hinein (obwohl das natürlich auch manchmal ganz entspannend sein kann). Resiliente Menschen planen ihre Zukunft ganz bewusst.
Sie haben eine Vision vom eigenen Leben und machen sich Gedanken darüber, wie sie zukünftig leben wollen. Sie suchen sich bewusst Ziele aus, die sie erreichen wollen und überlegen sich, welche konkreten Schritte sie zur Erreichung dieser Ziele unternehmen wollen.
Kann man Resilienz lernen?
Im Grunde genommen ergibt sich die Antwort auf diese Frage bereits aus dem, was wir bisher zum Thema Resilienz besprochen haben.
Wenn ich lerne, die verschiedenen Resilienzfaktoren besser in mein Leben zu integrieren, dann steigere ich damit natürlich auch meine Resilienz.
Allerdings: Es gibt eine sehr interessante Diskussion in der Wissenschaft darüber, inwieweit eine gute Resilienz vielleicht doch auch eine angeborene Fähigkeit ist, die in unseren Genen verankert ist.
Tatsächlich haben Wissenschaftler ein Gen identifiziert, dass die Stärke der Resilienz beeinflusst. Es heißt 5-HTTLPR und kommt in einer längeren und einer kürzeren Variante vor und ist an der Steuerung des Serotonin-Haushaltes im Gehirn beteiligt.
Serotonin wird häufig auch als das „Glückshormon“ bezeichnet – entsprechend wirkt eine hohe Serotoninkonzentration stimmungsaufhellend, was den Umgang mit Stress natürlich erleichtert (Resilienzfaktor Optimismus!).
Konkret: Die längere Variante des Gens macht den Serotonin-Stoffwechsel effektiver und erhöht damit die Resilienz.
Aber auch Menschen, die über die kürzere Variante des Gens verfügen, können ihre Serotonin-Haushalt „auf Vordermann bringen“. Eine gute Möglichkeit dazu ist wiederum der Aufenthalt in der Natur.
So bestätigt zum Beispiel eine Studie, die mit Frauen mittleren Altes durchgeführt wurde, dass der Aufenthalt im Wald den Serotonin-Spiegel positiv beeinflussen kann.
Neben dem 5-HTTLPR Gen werden weitere Gene im Zusammenhang mit der Ausprägung der Resilienz diskutiert. Darunter auch solche, die die Neuroplastizität – also die Fähigkeit unseres Gehirns, neue neuronale Verbindungen auf- und alte abzubauen – erhöhen und damit zu einer besseren Resilienz beitragen.
Alles zu kompliziert?
Schau dir diesen kleinen Filmbeitrag der Sendung „Planet Wissen“ an, dort wird alles sehr schön erklärt (verfügbar bis 27.01.26).
Muss ich mich also jetzt damit abfinden, dass ich unter Umständen weniger resilient bin, nur weil ich nicht die richtigen Gene habe?
Zum Glück nein!
Den positiven Einfluss des Waldes auf den Serotonin-Haushalt hatte ich schon erwähnt.
Zum Glück besutzen aber die meisten Menschen sowieso die lange Variante des für einen effektiven Serotonin-Haushalt zuständigen Gens, sind also „von Natur aus“ mit guten Voraussetzungen für Resilienz ausgestattet.
Außerdem sind unsere Gene und deren Auswirkungen auf unser Leben keineswegs so in Stein gemeißelt, wie man das viele Jahre (Jahrzehnte) lang gedacht hat.
In den letzten Jahren hat das Forschungsgebiet der Epigenetik einen waren Boom erlebt. Die Epigenetik untersucht, inwieweit die Umwelt die Gene beeinflusst – mit erstaunlichen Ergebnissen.
Gene können vom Körper nämlich tatsächlich an- und abgeschaltet werden, je nachdem, welche Umweltbedingungen vorliegen und welche Anpassung erforderlich ist.
Letztlich bleibt die alte Erkenntnis gültig, dass immer die genetische Voraussetzung gemeinsam mit der Umwelt und dem Verhalten darüber entscheidet, ob und wie ein bestimmtes Merkmal oder eine bestimmte Eigenschaft ausgeprägt wird.
Fazit: Auch Menschen mit weniger guten genetischen Voraussetzungen können mit etwas Übung, der richtigen Einstellung und gesunden Verhaltensweisen und Gewohnheiten ihre Resilienz wesentlich verbessern.
Dafür ist es allerdings wichtig, sich zunächst einmal die eigenen Verhaltensweisen und Gewohnheiten bewusst zu machen, was uns zum nächsten Abschnitt bringt: Resilienz und Achtsamkeit.
Resilienz und Achtsamkeit
Achtsamkeit (engl. mindfulness) ist in den letzten Jahren sehr populär geworden. Zu Recht, wie ich finde, denn Achtsamkeit ist – neben vielen anderen Vorteilen – auch ein gutes Werkzeug, um die eigene Resilienz zu stärken.
Was ist Achtsamkeit?
Diese Frage ist relativ schnell beantwortet. Das Training der Achtsamkeit erfordert dagegen wesentlich mehr Übung und Ausdauer.
Achtsamkeit bedeutet, seine Aufmerksamkeit ganz bewusst auf den gegenwärtigen Moment und auf das zur richten, was wir JETZT gerade tun – ohne zu bewerten, was gerade passiert.
Unser Alltag sieht aber normalerweise ganz anders aus:
Ständig bewerten wir das, was gerade passiert. Und wir bewerten sogar das, was gerade nicht passiert, wenn wir uns all die Dinge wünschen, die wir gerade nicht haben („Warum kann heute nicht schon Freitag sein?“).
Wir neigen im Alltag auch dazu, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen – sowohl bei der Arbeit, als auch in unserer Freizeit.
Da klingelt im Büro das Telefon, aber nebenbei trägt man eben noch ein paar Zahlen in das Excel-Sheet ein, an dem man gerade arbeitet. Da ruft der Kollege vom anderen Schreibtisch etwas zu uns herüber, während wir noch schnell den Brief für einen Kunden fertig schreiben.
Oder wir checken zwischendurch das E-Mail-Konto, sind aber eigentlich mit der Planung eines Projekts beschäftigt.
Nach Feierabend sitzen wir dann vor dem Fernseher und essen nebenbei, während wir vielleicht sogar noch in einer Zeitschrift blättern.
Alles Situationen, in denen wir mehrere Dinge gleichzeitig tun.
Und das verursacht jede Menge Stress für unser Gehirn. Denn das ist – so mittlerweile der Stand der Wissenschaft – keineswegs so multitaskingfähig, wie wir das manchmal vermuten. Das hat unter anderem auch eine Studie der Bundesantalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ergeben.
Tatsächlich ist unser Gehirn nur „singletaskfähig“.
Achtsamkeit führt uns also wieder zu dem, wofür unser Gehirn eigentlich ausgerüstet ist. Nämlich, eine Aufgabe zur Zeit zu machen und dieser Aufgabe unsere gesamte Aufmerksamkeit zu schenken.
Der Weg dahin führt über unsere Sinne.
Denn: Wenn wir mit unseren Sinnen etwas wahrnehmen, sind wir automatisch im Jetzt, also im gegenwärtigen Moment.
Das hat gleich mehrere Vorteile.
Die Vorteile eines achtsamen Lebens
Achtsamkeit beendet nicht nur den mit dem Multitasking verbundenen Stress, sondern verringert auch ganz allgemein den Stress in unserem Leben.
Denn Stress entsteht vor allem dann, wenn unsere Gedanken abschweifen und wir uns ausmalen, was in der Zukunft alles passieren könnte. Das passiert oft so schnell, dass wir es bewusst gar nicht merken, sondern nur spüren, dass wir innerlich angespannt und gestresst sind.
Wenn ich aber mit meinen Sinnen ganz im gegenwärtigen Moment bin, können meine Gedanken nicht in die Zukunft wandern.
Achtsamkeit beruhigt automatisch unsere Gedanken und sorgt so für mehr innere Ruhe und Gelassenheit.
Achtsamkeit kannst du überall und jederzeit in deinem Leben praktizieren. Besonders leicht fällt es aber, wenn wir in der Natur unterwegs sind.
Dort spüren wir unser „So-sein“ am leichtesten, alleine schon, weil die Natur alle unsere Sinne anspricht. Genau das ist auch der Hintergrund des japanischen Shinrin Yoku oder Waldbadens (hier habe ich einen eigenen Artikel dazu für dich).
Wenn du Achtsamkeitsübungen mit dem Aufenthalt in der Natur kombinierst, schaltest du quasi den „Entspannungsturbo“ ein.
Ein anderer Vorteil der Achtsamkeitspraxis:
Wenn wir so richtig im Stress sind, merken wir oft gar nicht mehr, wie es uns eigentlich gerade geht. Wir sind dann so abgekoppelt von uns selbst, dass wir gar nicht mitbekommen, wie angespannt wir gerade sind.
Achtsamkeit verbindet uns wieder mit uns selbst uns sorgt dafür, dass sich unsere Selbstwahrnehmung verbessert. Wir erkennen wie es uns geht und nehmen unsere eigenen Bedürfnisse wieder wahr.
Und das ist der erste Schritt zu einer besseren Selbstfürsorge.
Und noch etwas:
Unter Stress schaltet unser Körper in den Fight-or-Flight-Modus (genaugenommen ist es eigentlich der Fight-Flight-or-Freeze-Modus). Unser Körper schaltet in den Überlebensmodus und in dem ist unser Fokus vor allem auf das Negative ausgerichtet. Denn das ist ja das, was das Überleben bedroht.
Deshalb verlieren wir im Stress den Blick für das Schöne im Leben, das ja nach wie vor da ist.
Wir sehen nur noch das Negative und das, was unsere Sicherheit (scheinbar) bedroht und kommen so mehr und mehr in eine Abwärtsspirale.
Achtsamkeit bringt uns aus dieser Negativspirale wieder heraus und hilft uns, wieder einen Blick für das Gute in unserem Leben zu bekommen.
Und ein gesunder Optimismus ist eine der 7 Säulen der Resilienz!
So hilft uns Achtsamkeit dabei, unsere Resilienz zu stärken und mit Stress besser umzugehen.
Eine kleine Achtsamkeitsübung
Wenn du das nächste Mal gestresst bist, versuche einmal die folgende Übung aus dem MBSR (Mindfulness based Stress Reduction):
Fühle einmal in die Situation hinein, die den Stress bei dir verursacht. Wo nimmst du den Stress im Körper wahr? Wie stark ist dieser Stress im Moment ausgeprägt?
Ordne dafür dein Stressempfinden auf einer Skala von 1 bis 10 ein. Eine 1 bedeutet, dass du gar nicht gestresst bist, eine 10 bedeutet, dass der Stress maximal ausgeprägt ist.
Auf welchem Wert stehst du gerade?
Nimm dir jetzt einmal ein Glas Wasser und trinke dieses Glas ganz langsam und bewusst.
Sei dir jeder Bewegung bewusst, die du machst. Führe das Glas ganz langsam an deinen Mund heran. Nimm ganz langsam den ersten Schluck Wasser. Spüre, wie das Wasser deine Lippen benetzt, in deinen Mund fließt und sich dort ausbreitet.
Spüre die Temperatur des Wassers. Wie fühlt es sich an, das kalte oder warme Wasser im Mund zu haben? Schlucke einen kleinen Schluck des Wassers herunter. Spüre, wie das Wasser langsam die Speiserühre hinunterläuft. Welche Geräusche macht das Wasser beim Trinken? Wie schmeckt das Wasser?
Nimm einen Schluck Wasser nach dem anderen.
Schluck für Schluck.
Trinke auf diese Weise das Glas Wasser ganz bewusst und mit großer Achtsamkeit.
Jetzt fühle noch einmal in die Situation hinein, die dich vorhin so gestresst hat. Ordne das Ausmaß des Stressempfindens wie auf einer Skala von 1 bis 10 ein. Eine 10 bedeutet wieder maximales Stressgefühl.
Wie hat sich der Wert zu vorher verändert?
Neben dieser kleinen Achtsamkeitsübung gibt es natürlich noch jede Menge weiterer Übungen und Techniken, mit denen du deine Achtsamkeit steigern kannst.
Demnächst wird es darüber auch noch einen eigenen Artikel geben.
Ganzheitliche Resilienz
Du hast jetzt einen guten Überblick darüber, was Resilienz bedeutet, warum eine gute Resilienz wichtig für ein gutes und erfülltest Leben ist und wie du deine Resilienz stärken kannst.
Für mich ist der Begriff Resilienz aber noch weiter gefasst. Deshalb spreche ich bei Flowfeather auch von ganzheitlicher Resilienz, statt einfach nur von Resilienz.
Aber was genau bedeutet eigentlich „ganzheitliche Resilienz“?
Ganzheitlich – die Sicht auf das große Ganze
Um zu erklären, was ich mit ganzheitlicher Resilienz meine, sollte ich vielleicht erst einmal beschreiben, was ich mit „ganzheitlich“ meine.
Wir sind es in unserer Gesellschaft gewohnt, sehr analytisch und rational an die Dinge heranzugehen. Wir „zerlegen“ die Wirklichkeit in kleine Bereiche und Themen und untersuchen diese Teilbereiche dann mit wissenschaftlichen Methoden.
Und funktioniert meist auch sehr gut.
Allerdings verlieren wir dadurch gleichzeitig den Blick für das Gesamte. Die Welt ist eben nicht in verschiedene Teile untergliedert. Draußen in der Welt ist immer alles ein Ganzes.
Und das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile!
Diese Erkenntnis aus den Systemwissenschaften bedeutet, dass unsere Art, die Welt zu betrachten, zwangsläufig dazu führt, dass wir wichtige Aspekte dabei verlieren.
Ganzheitlich bedeutet, mit einem anderen Blick auf die Welt zu schauen.
Bei der ganzheitlichen Betrachtungsweise geht es um intuitive Einsichten über das Wesen des Ganzen. Es geht um Spiritualität, Synchronizitäten und die Erkenntnis, dass es da draußen „mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden (gibt), als Eure Schulweisheit sich träumt“, um einmal William Shakespeare zu zitieren.
Das lässt sich natürlich mit wissenschaftlichen Methoden nicht besonders gut verifizieren. Deshalb neigt die Wissenschaft dazu, solche ganzheitlichen Perspektiven von vorneherein als „unwissenschaftlich“ anzutun.
Ich glaube aber, dass wir uns damit sehr viele Möglichkeiten verbauen.
Sehr eindrucksvoll ist mit das vor vielen Jahren bewusst geworden, als ich in einem Fernsehbericht einen Beitrag über ein Projekt der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ gesehen habe.
In dem Bericht wurde unter anderem auch ein Arzt der Organisation interviewt. Der Arzt sagte: „Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass diese alternativen Medizinformen der westlichen Medizin ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen sind.“
Gemeint waren mit diesen „alternativen Medizinformen“ nicht nur pflanzliche Heilmethoden, sondern eben auch spirituellen Heilansätze, wie sie zum Beispiel im Schamanismus vorkommen.
Und auch beim Thema Resilienz sollten wir aus meiner Sicht das „Große Ganze“ nicht aus den Augen verlieren.
Ganzheitliche Resilienz – ganz konkret
Ganzheitliche Resilienz geht daher über den (wissenschaftlich gesicherten) Begriff der Resilienz hinaus.
Bei der ganzheitlichen Resilienz geht es darum, mit der Energie hinter den Dingen zu arbeiten. Es geht um intuitive Arbeit mit und an sich selbst. Darum, die eigene Spiritualität wieder in den Blick zu nehmen und Wege zu finden, diese in seinem Leben auszudrücken.
Denn auch das fördert aus meiner Sicht die eigene Resilienz.
Ganzheitliche Resilienz bedeutet, aus einem Gefühl der Verbundenheit heraus zu leben. Mit sich und mit allem auf dieser Welt.
Und es geht auch darum, zu schauen, wie uns das alte, überlieferte Wissen der verschiedenen Kulturen dabei helfen kann, ein glückliches und erfülltest Leben leben zu leben.
Egal ob Taoismus, Huna, die mystischen Strömungen aus dem Christentum, Ayurveda oder welche Kultur auch immer: Was sind die Prinzipien des Lebens, die in all diesen überlieferten Kulturen beschrieben werden?
Wie können wir dieses Wissen in einer modernen Form nutzen, um uns und unser Leben wieder in Balance & Harmonie zu bringen – denn das ist in meinen Augen dringend notwendig.
Fazit
Resilienz ist ein wichtiger Baustein für ein glückliches und erfülltest Leben. Verschiedene Resilienzfaktoren bestimmen, wie gut unsere Resilienz ausgeprägt ist und wie wir mit Stress und Belastungen umgehen können.
Wir können die eigene Resilienz stärken, indem wir die einzelnen Faktoren stärken, die unsere Resilienz bestimmen.
Eines von mehreren Werkzeugen dafür ist Achtsamkeit. Mit Achtsamkeit steigern wir unsere Selbstwahrnehmung, die wir brauchen, um überhaupt erst einmal zu erkennen, wo wir gerade stehen.
Neben dem in der Psychologie gebräuchlichen Begriff der Achtsamkeit gibt es die ganzheitliche Resilienz, die über den wissenschaftlichen Resilienzbegriff hinausgeht und das überlieferte Wissen der verschiedenen Kulturen mit in den Blick nimmt.